Text Gerald Polzer Photos Doris Schulz
Traismauer
Nach Mautern in Richtung Wien gab es viel Gedachs, aber wenig besiedeltes Gebiet, also zogen Kriemhild und ihr Gefolge ohne Unterbrechung weiter nach Traismauer, das damals „Treisenmure“ hieß. Volle vier Tage verweilten sie dort und übernachteten in den Mauern eines ehemaligen römischen Kastells – hier steht heute ein Renaissance-Schloss mit schönem Arkadenhof. Lange Zeit wurde gerätselt, welche Örtlichkeit der Dichter des Nibelungenliedes vor Augen hatte, als er das „Bühnenbild“ für Kriemhilds Aufenthalt schilderte. Die Lösung ergab sich 1986, als bei Ausgrabungen Reste hervorragend erhaltener Räume einer römischen Festung offenbart wurden. Diese Teile des Kastells dienten im Mittelalter als repräsentative Burg und waren somit idealer Schauplatz für die Nibelungendichtung.
Im Stadtbild von Traismauer dominieren Schloss, Römertor und der sogenannte Hungerturm. Ein Fresko an der Innenseite des Römertors ist eindrucksvoller Zeuge des legendären Einzugs der Königin – bildgewaltig dargestellt und von Versen aus dem Nibelungenlied flankiert.
Der spätantike Hungerturm ist in Form eines Hufeisens gebaut, war schon zu Zeiten des Römerkastells „Trigisamum“ Befestigungsanlage und blieb es bis ins ausgehende Mittelalter. Das Schloss wiederum beherbergte tausend Jahre den Verwaltungssitz der Salzburger Erzbischöfe.
Staubwolke am Horizont
Von dessen Zinnen aus beobachtete die Reisegesellschaft erstmalig die Heerscharen König Etzels in einer gewaltigen Staubwolke am Horizont. Eine bunt zusammengewürfelte Reiterhorde, bestehend aus Männern aller Herren Länder und Konfessionen – an ihrer Spitze ritt Kriemhilds zukünftiger Gemahl. Die Königin und ihr Gefolge machten sich reisefertig und zogen in voller Pracht Richtung Tullnerfeld, wo die Vereinigung mit dem Hofstaat Etzels stattfinden sollte.
Aus dem Nibelungenlied:
An die Traisen kamen die Gäste dann Sie pflegten des Rüdigers Mann Bis dass man die Hunnen sah reiten übers Land Da ward der Königstochter erst grosse Ehre bekannt. Bei der Traisen hatte der König vom Hunnenland Eine reiche Burg, im Land wohlbekannt,
Mit Namen Traismauer, einst wohnte Helke da Und pflegte so hohe Milde, als wohl nicht wieder geschah. Sie (Kriemhilde) blieb an der Traisen bis an den vierten Tag. Der Staub in den Strassen nicht Stille lag.
Nibelungenlied
Tipp
In unmittelbarer Nähe des Römertors steht der „Nibelungenhof“, ein familiengeführtes Hotel und Restaurant. Hier geht es gemütlich entspannt zu und die Küche ist auf höchstem Niveau – Tradition und Moderne bilden eine wunderbare Verbindung.
Nibelungenhof
Wiener Strasse 23
3133 Traismauer