Mein höchster Herr und ewiger Freund!
Ewig nenne ich Ihre Freundschaft, weil sie nicht in der Zeit und im Raume befangen ist. Diese Bezeichnung drängte sich mir als die einzig richtige auf, als ich Ihren huldreichen Gruss’ zu meinem letzten Geburtstage erhielt. Mir waren viele Glückwünsche von nah und fern, von alten und neuen [Freunden], ja von gänzlich Unbekannten zugekommen: als der Ausdruck Ihres Segensgrusses sich mir kundthat, war es mir plötzlich, als ertöne Musik und erduftete die Luft, wie dem Märtyrer bei der himmlischen Erscheinung.
Ja, ich bedarf zu Zeiten göttlicher Nahrung aus dem Born der Ewigkeit. Sie – reichen sie mir! Wie der Märtyrer in seinem Erdendasein in Zeit und Raum von Gott getrennt ist, so findet er während dieses Daseins schon in den Augenblicken der höchsten Noth durch die himmlische Erscheinung mit ihm sich vereinigt: nun ist er wieder geweiht und gestärkt, er kann nun wieder dulden und streiten. – Wohl ward mir zuletzt wieder schmerzlich bange: ich sah und hörte Nichts von meinem Herren, und die mir erwiesene unermessliche Wohlthat begann wie ein Selbstvorwurf auf mir zu lasten. — Mein Leben fiel mir schwer, und das für all mein ferneres Wirken Schrecklichste, dem ich zu wehren habe, nahm mich immer stärker ein —: der Ekel! Einzig hielten mich meine Familie und die nun endlich gegründete Heimath vom Widerwillen gegen alles Leben zurück. Mein Haus steht nun: dank dem Gnädigen! Ich sollte ihm einen Namen geben, und suchte lange: endlich fand ich ihn, und ich lasse ihn jetzt in folgendem Verse eingraben:
„Hier wo mein Wähnen Frieden fand —
Wahnfried
sei dieses Haus von mir benannt!”
Im Garten bildet sich vor dem Hause ein freier Hof mit einem eingehegten grünen Rundtheile in der Mitte: in dieses habe ich einen Granitsockel stellen lassen, der jetzt noch nichts trägt. Aber bereits habe ich mich an Meister Zumbusch gewandt und stehe nun mit ihm im Einvernehmen über den Bronzeguss der Büste des Helden meines Lebens, welchem ich vor nun zehn Jahren als dem holden Schirmherren meines Daseins huldigte. Dieser jugendliche Gott, der mir damals in die Nacht zurief, soll es sein, wie ihn der Bildner damals erfasste: aber in doppelter Lebensgrösse soll er aus dem Rosengehege vor dem Hause hervorragen; ich denke, es wird dann die Zuschrift über der Thüre leicht zu verstehen sein. Und wer dann so eingetreten ist, dem werden die Marmorbilder der Halle, der Fries mit dem Nibelungen-Ringe des Weiteren sagen, was es mit dem aussen stehenden Bronze-Gebilde für das „Wahnfried” für eine weihliche Bewendung habe!
Mein Geburtstag brachte mir auch den von Lindner ausgeführten Kupferstich eines Porträt’s meines huldvollen Gebieters, mit dessen Zusendung mich der bescheidene Künstler erfreute. Dieses Bild, mein König, hat mich – unsäglich ergriffen, und noch kann ich es nicht betrachten, ohne mit diesem Blicke in den geheimnissvollsten Abgrund des menschlichen Schicksales zu blicken. Hier ist der königlichste König, schön wie nie ein König – und dieser leidet in tiefster Verschlossenheit! – Doch noch einmal lächelten Sie mir, ganz mit der alten Huld der Jugend und Schönheit! Sie grüssten mich — wie damals! – So fasse denn auch ich wieder Muth, — wie damals: und von Neuem lächelnd rufe auch ich Ihnen wieder zu: was ich gelobte, ich will es halten! Mein Werk soll leben und gedeihen zum ewigen Preise des herrlichen Rufer’s in die Welt! –
Ich segne Sie, und weihe Ihnen von Neuem die heiligsten Kräfte meiner Seele!
In froher Demuth ersterbend
Bayreuth.
25 Mai 1874.
Ihr ewiges Eigen
Richard Wagner