Dienstag 22ten (22. September 1874)

Cosima Wagner Tagebücher

Mit den Kindern gearbeitet, »Quentin Durward« von W. Scott mit Lusch begonnen. R. an der Partitur trotz einer schlechten Nacht, er ist von Flechten gepeinigt an drei Fingern. Zu Mittag Herr Hoffmann mit Frau, R. hat ihn endlich dazu vermocht, eine neue Skizze zu entwerfen! 

Nachmittagsgesellschaft, welche ich einzig, um für die Kinder Beziehungen aufrecht zu erhalten, annehme, R. immer unwillig dagegen, sagt, daß er sein ganzes Leben nicht begreift, wenn ich nicht da bin, daß ihm Haus und Kinder wie ein Unsinn erscheinen. –

Schöner Brief des Königs, R. dankend; ich erinnere R. daran, was eine alte Wahrsagerin in München ihm gesagt, daß der König ihm immer bei zunehmendem Mond geneigt sein würde. – Wir haben die schönsten Mondnächte gehabt.

Abends unser graffitierender Künstler; mir ist bei dem Arbeiten sehr bang. – 

Hübsche Schrift eines hiesigen Regierungsrates gelesen, wonach das Fichtelgebirge die Urstätte des alten Germanentums gewesen wäre, was uns freut. R., auf »Don Arias’ Liebchen« zurückkommend, sagt: Es ist doch schlimm, daß diese wie eine Pest zu vertilgenden Mauren wiederum die einzigen anständigen Charaktere liefern. Religion hat es eigentlich nur bei den Heiden gegeben. – R. sucht vergeblich, unserem Macedonier begreiflich zu machen, daß es keine Griechen mehr gibt und daß die Russen dieses ganze slawische Wesen einmal vereinigen werden. – 

Von seiner Partitur erzählt mir R., bei der Erzählung von Siegfried im Walde würde im Orchester das Waldweben aus Siegfried bloß angedeutet werden, denn hier müsse das Schicksal Siegfried’s wirken und nicht zerstreut durch ein Naturereignis werden, ein anderes sei es gewesen, wo er hätte das Waldweben wirken lassen wollen, und jetzt; er könne überhaupt nie wiederholen, da fände er selbst den Ton zum Transkribieren nicht.

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