Ich hatte in der Frühe beängstigende Träume; ich wandelte im Garten des Luisenstifts, und es war mir, als ob alle Schülerinnen Schatten wären, besonders wehmütig erschien mir Boni, sehr traurig und das Herz schwer wachte ich auf. Ich werde wohl keinen freien Augenblick mehr haben bis zur Zeit des Abgangs der Kinder, und nachher?? … –
R. arbeitet, er erhält einen Brief des Verlegers vom Kaisermarsch, Herrn Friedländer, welcher ihm 9000 Mark für eine Ouvertüre anbietet, lediglich um Schott den Rang des Verlegers von Wagner abstreitig zu machen. –
R. entsendet an C. Frantz eine Anzahl Broschüren (Nietzsche etc.), um ihm zu zeigen, daß er nicht zu den Nationalliberalen gehört! Je mehr wir die Schriften des gewiß nicht unbedeutenden Mannes besprechen, um so mehr empören sie uns, durchaus unpatriotisch erschweren sie das Gute; der arme Rechnungslehrer Vogler hier, welcher Lusch Rechenunterricht gibt, freut sich der neuen Münze, sie sei schön, nobel, der Deutsche könne sich damit sehen lassen, trotzdem er sehr gut weiß, daß sie seine Ausgaben und nicht seine Einnahmen vermehren wird. –
Solche Gefühle zu verkümmern ist eine Sünde, wenn man keine Macht hat, Besseres zu schaffen als das, was man tadelt. Der Ohnmächtige, Mißvergnügte hat zu schweigen. Dabei kennt er Süddeutschland und Bayern insbesondere ebensowenig, als die Angreifer und heutigen Verteidiger des Christentums das Christentum. – Der Kirchenrat bringt mir »Die Selbstzersetzung des Christentums«[i] – ein sehr erbärmliches Ding.
Abends lese ich R. die Rede von Tyndall[ii] in der Gesellschaft der Wissenschaft in England vor. Er ist sehr müde.
[i] »Die Selbstzersetzung des Christentums und die Religion der Zukunft«, 2. Aufl. 1874, von Karl Robert Eduard von Hartmann.1869
[ii] John T. (1820-1893), irischer Physiker, arbeitete über Diamagnetismus, Thermoelektrizität, Lichtstreuung und Wärmestrahlung.