R. erzählt seinen Traum, er habe Putz, unheilbar krank, mit einem Stock totgeschlagen, „keiner kümmert sich doch um dich, armes Tier, nun bist du wenigstens erlöst“, und begrub ihn unter einem Haufen Schutt, der massenhaft im Garten umherlag.
Beim Frühstück besprechen wir die Erziehung der Kinder; was kann man gegen die Natur? –
Wir mußten gestern auf Deutschland ein Wort [anwenden], welches Griechenland galt, kurz bevor es der römischen Herrschaft erlag: So lang wir nicht ganz verloren sind, ist uns nicht zu helfen. So lang wir nicht Preußen sind, war das Gefühl in Süddeutschland. Neulich, als R. die Manöver der Infanterie sah, kam er heim und sagte: „Es hat mir gefallen, und ich dachte, Gott sei Dank, daß wenigstens hier noch etwas nach den Gesetzen des Rhythmus geht und nicht alles in Sackpaletôt, Cigarre und Bart (wie Schopenhauer sich ausdrückt) untergegangen ist!“ –
Besuch des guten Bürgermeisters, welcher sich offenbar freut, daß es in Bayreuth ein so hübsches Haus gebe. R. spricht davon, daß er nie so gut mit der Polizei gestanden habe. Er erzählt dann von der Schweiz und seinen Erinnerungen an Sulzer; wie dort man noch deutsche Gemeindewesen antreffen könnte, leider mit verschrumpftem Herzen wegen der Trennung vom Reich und der Fremden-Überschwemmung. –
Abends von „Titus Andronicus“ den 1. Akt mit einiger Befremdung[1] gelesen. Als gestern R. den Kindern die Parabel des Zinsgroschen[2] erklärte, wurde es mir recht klar, daß es mit den Bildern zu diesen h. Dingen geht wie mit den Programmen zu symphonischen Werken, welche Programme niemals zugleich mit den Symphonien genossen werden dürfen; der herrliche Zinsgroschen von Tizian, die Madonnen Raphael’s verlieren ihre Wirkung, wenn die Worte des Evangeliums ertönen.
[1] Titus Andronicus von Shakespeare – Befremdung vermutlich auf Grund der Grausamkeit.
[2] Das Gleichnis vom Zinsgroschen: „So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!“ (Matth. 22, 21).