Donnerstag 15ten (15. Januar 1874)

„Du krönst mich mit deiner Barmherzigkeit“, sagt mir R. am frühen Morgen, „du bist nicht nur die Krone meines Lebens, du bist die der Welt.“ — Ach! und nichts kann ich für ihn. Er schreibt an Heckel einen Brief für den Gr. von Baden* und sagt: „Man tut das, aber bei allem hat man kein Vertrauen, keinen Glauben, man tut es, um nichts verabsäumt zu haben.“ 

Zu Mittag erzählt er, er habe einen Traum vom Kaiser Wilhelm gehabt, daß dieser überaus freundlich gegen ihn war, und wie R. gerührt überschwenglich sich bedankte, deprecierte der Kaiser: „Nur keine Salbadereien“, worauf R. ein wenig konsterniert erwiderte, der Kaiser aber durchaus freundlich und gut. – 

Zum Haus gegangen; wie ich heimkehre, hält ein alten Weib mich an, sie möchte durch das Grundstück durch, es war spät, Fidi’s Füße naß, ich suchte ihr begreiflich zu machen, daß sie nichts gewänne, wenn sie hier durchginge, sie war taub, ging dann ihrer Wege, mich einer tiefen, wie ein Schatten sich über mich streckenden Reue [überlassend]; warum tat ich ihr nicht den Willen, selbst da sie sich täuschte, sie verstand mich nicht und muß ein bitteres Gefühl von Besitz und Nicht-Besitz empfunden haben. Müder als sie schleppte ich mich heim, meine dumme Klugheit verwünschend und meine Bequemlichkeit, vor allem aber meinen Argwohn – ich befürchtete unredliche Absichten, was hätte sie tun können, hätte ich sie durchgeleitet, Fidi würde diese Strecke mehr schon vertragen haben, und ich finde eine Entschuldigung und möchte es büßen. —- Abends Upanishads und „R. III“. – Vorher hatte R. noch einen großen Ärger, das Wasser des mühsam gegrabenen 2ten Brunnen erweist sich als schlecht.


* Friedrich I. Großherzog von Baden, Schwiegersohn von Wilhelm I. (Deutscher Kaiser)

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