Freitag 30ten (30. Oktober 1874)

Cosima Wagner Tagebücher

R. singt aus dem Schluß der Götterdämmerung und sagt, er habe gestern gemerkt aus der Kombination dieses Schlusses, daß er alles könne, wenn er wolle; wie ich ihm lachend antworte, daß ich dies wohl glaube, erwidert er, »nein, für gewöhnlich fehlt die Routine mir sehr, ich muß wollen«. – 

Ich arbeite nun mit den zwei Kleinen, während die Großen in [der] Näh- und Töchterschule sind. Nachmittags nach ihrem Spaziergang arbeite ich mit Lusch. 

Brief von Hans, sehr gütig geht er auf den Gedanken des Stiftes ein, nur eines wünschend, die Wahrung meiner mütterlichen Autorität und die Vermeidung dissonierender Eindrücke für die Kinder. Ich befrage mich nun, ob ich das Rechte wähle, indem ich die Kinder aus dem Hause gebe. Tiefe Sorge – o, daß ein Gott uns erleuchten möchte! … 

Abends studiert R. »Les adieux, l’absence et le retour«[i] mit Herrn Rubinstein. Die gewöhnliche Art, diese pathetischsten Werke durch gleichgültigen, akzentlosen Vortrag beinahe unkenntlich zu machen …, erscheint hier wieder. R. erklärt dem Spieler, daß die Schwierigkeit des Vortrages der Werke der mittleren Periode B.’s[ii] darin bestünde, daß sie anscheinend die alte Form beibehalten, während Themen, Figuration schon weit darüber hinaus, durchaus leidenschaftlich, pathetisch gefühlvoll seien.


[i] op. 81 a von Beethoven.

[ii] Beethovens.

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