Besuch eines Herrn von Balasy mit Frau, große Enthusiasten R.’s; R. arbeitet; vorgestern ließ er die Raben kreischen, und gestern sagte er: »Nun, man kann nicht sagen, daß Hagen Siegfried rücksichtslos erschlägt, da er ihn im Rücken trifft!«
Bei aller angestrengtesten Tätigkeit und allen Leiden bleibt er unsäglich liebevoll gegen mich, so sagte er mir heute, er habe mir meine Briefe nicht hinauftragen lassen, damit ich in den Saal eintrete während seiner Arbeit und sie holte. Tagesordnungs-Veränderung, jetzt, wo die Tage kürzer werden, geht R. bald nach Tisch aus und kehrt gegen fünf Uhr heim, um noch eine Seite der Partitur schreiben zu können. –
Es melden sich Herr und Frau von Balasy aus Ungarn, von Baron Augusz[i] empfohlen, und welche sich als feurigste Verehrer gebärden. Am Abend kommen seltsame Dinge zum Vorschein, aus welchen man den ganzen Haß des österreichischen Hofes gegen Deutschland und Bismarck erkennt; so unter andrem hoffte dieser Herr auf eine baldige französisch-österreichisch-russische Alliance, um, coûte que coûte, Deutschland den Krieg zu erklären. Freude über den neulichen Brief des russischen Kaisers an Don Carlos, während Preußen und Österreich Spanien anerkennen. Zuversicht, daß man die Arnim’schen Papiere nicht finden würde, weil dieselben in Sicherheit seien.
Dabei sagte der Herr treffend: »Wenn Bismarck wirklich große deutsche Politik triebe, keine speziell preußische, wie würde er das W.’sche Unternehmen unterstützen!« Darauf muß man freilich schweigen, nachdem R. ihm mit Wärme zu beweisen gesucht, daß Deutschland sehr gut mit Österreich gehen könne, daß Bismarck deutsch fühle, daß bis jetzt seitens Preußen alles eine Notwehr gewesen sei, um der Schmach zu entkommen, welche ihm aufgebürdet wurde. Der Herr behauptet, im Jahre 66 habe Bismarck einen Teil von Böhmen haben wollen, einzig Napoleon habe es gerettet.
Österreich und Ungarn seien unterwühlt von preußischen Agenten. Er erzählt weiter, daß Königin Olga[ii] einzig an dem französischen Krieg schuld sei, sie schickte an Napoleon den Brief ihres Bruders, des russischen Kaisers, welcher ihr sagte: Ich werde nie leiden, daß das fait ac-compli von 66 erschüttert werde. Daraufhin und dem Bündnis mit Österreich habe N. III. den Krieg gewagt. Das Bündnis habe aber stipuliert: »Après la première bataille gagnée, l’empereur d’Autriche s’engage etc.«[iii], aus point d’honneur habe N. zuerst eine Schlacht gewinnen wollen, und Österreich ging wirklich ein so schmachvolles Bündnis ein! – Aus diesen Mitteilungen ist es interessant zu ersehen, welche Konfusion die Jesuiten in alle Verhältnisse bringen, um womöglich Deutschland ganz zu isolieren und Alliancen bloßzustellen.
Die Schmach von Österreich bemerkte der gute Herr nicht, welche ihm erwüchse aus solchen Bündnissen. Gott beschütze Deutschland! Möge es glorreich bestehen, ob kurzer oder langer Dauer ist gleich, wenn nur ehrenvoll. –
Unser schöner Dr. Lang ist nun offizieller Agent der Ultramontanen!… Die Freizügigkeit erzielt jetzt, daß sehr viele Unteroffiziere auf rasches Avancement bauen, weil viele bayerische Offiziere beim Examen durchfallen; in der bayerischen Armee dienen, das ist freilich herrlich!
[i] Baron Anton A., Freund von Franz Liszt, Trauzeuge bei Hans Richters Heirat.
[ii] (1822-1892), nicht Schwester, sondern Tochter des Zaren Nikolaus I. von Rußland, 1846 mit Kronprinz Karl von Württemberg vermählt.
[iii] »Nach der ersten gewonnen Schlacht engagiert sich der Kaiser von Österreich etc.«