Mein huldreichster König! Mein erhabener Wohlthäter und Freund!

Richard Wagner, Bayreuth an Ludwig II., München

Wohin sollte ich blicken, wenn ich am Schlusse dieses Jahres den Quell der Gnade aufsuchen will, aus dem ich auch diessmal all mein Gedeihen schöpfen durfte? Nur bei Ihnen habe ich ihn zu suchen, nur auf Sie darf ich den Blick richten; da wo Sie thronen, lebt mein Heil! – So schweben Sie nun aber auch über mir, dem Sinnenden, wie die Abbildung meines Wohnsaales es Ihnen zeigt, wo Sie freundlich ermuthigend auf mich herabblicken, wenn ich vom Arbeitstische gedankenvoll in die »Welt« hinausschaue. – Mögen Sie, Liebevollster, es mir nicht verargt haben, dass ich die früher gnädigst verlangte schriftliche Schilderung auch meiner Wohnung durch diese Blätter [1] zu ergänzen suchte, welche ich so kühn war, Ihnen für den Weihnachtstisch zu übersenden. Wie sehr ersehne ich ein beruhigendes Wort auch hierüber! Es scheint aber, ein König will nur durch Gnaden-Spenden zu uns sprechen: so geschah es auch jetzt wieder, wo mir das holde Christkind eine so reiche und edle Bescheerung von meinem Könige brachte! Wie unendlich gütig, zart und liebreich sind Sie doch immer, mein angebeteter Freund! Muss ich zu Zeiten in ein Bangen darüber gerathen, dass ich doch wohl mit zu schwerem Gewichte an Ihrer Gnade, an Ihrem Gedenken, ja, Ihrem Erinnern hänge, und dass ein König, stets in Selbstaufopferung für das Ganze begriffen, oft wohl das Einzelne – sei es auch zu Zeiten ihm das Liebste! – aus dem Auge zu verlieren habe: so kommt doch dem durch Ihre Huld Beglückten stets, gerade zur rechten Zeit ein Gruss der Gnade zu, welcher dann wie ein Sonnenstrahl das Dämmerlicht des geheimen Bangens durchdringt.

So danke ich Ihnen nun wieder, als Hochbeglückter, Gnadenerleuchteter!

 Auf! Die Sonne hat ihren Lauf gewendet: sie steigt hinan. Julfest wird gefeiert! Bangen und Sorgen, die Begleiter ihrer ablaufenden Bahn, weichet und bleibet dort versenkt im Pfuhl der Zeiten! Das zeitlose Ewige leuchte hell! Hinauf führe einzig seine Bahn, in die letzte Heimath!

So laute mein Glückwunsch! Nur Einem kann ich ihn bieten, dem gnadenreichen Herren meines Lebens, welchem ewig huldigend ich ersterbe als

Sein
unzerstörbares Eigen:
Richard Wagner

Bayreuth
29 Dez. 1874

[1] Bilder des Aeußeren und Inneren von Wahnfried! 

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