Mittwoch 28ten (28. Januar 1874)

Cosima Wagner Tagebücher

Die Frage, die heute früh R. quält, ist, ob er an Pr. Hoffmann in Wien schreiben soll, daß das Unternehmen unbestimmt verschoben sei, oder auf den gestrigen Brief des Königs hin auf die Garantie rechnen. 

Während ich einige Besuche abstatte, entscheidet er sich, ich wage es aber nicht, ihn zu fragen, wie, und freue mich nur, wenn es in meiner Macht liegt, ihn ein wenig zu zerstreuen. Beim Kaffee kamen wir wiederum auf „die Eisblöcke, die im Meere der Jämmerlichkeit geschmolzen sind“, zu sprechen, u.a. auf K. Ritter; R. behauptet, der Artikel über das Judentum habe ihn vernichtet, wie auch den armen Tausig; er habe jüdisches Blut in den Adern gehabt. 

R. macht einen großen Spaziergang, geht zum Theater hinaus und begegnet dort einer Bauernfrau, mit welcher er sich heiter unterhält, er spricht ihr von dem schlechten langen Weg, den sie zurückzulegen hat bis zu ihrem Dorf, „ach! lieber Herr, wenn man den 30 Jahre lang jeden Tag zu machen hat, denkt man nicht mehr, ob er schlecht oder gut ist“. – 

Nachdem wir abends noch in dem Basler Buch gelesen, wollte R. mir aus Aristophanes vorlesen, es war aber unmöglich, die Zügellosigkeit ist so groß, und Frauen dürfen daran keinen Teil nehmen. Während R. einen Spaziergang machte, saß ich lange im Mondschein im Treibhaus; konnte mich gar nicht von dem sanften Strahlen trennen und von der großen Stille.

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