Neue Gouvernatne! Gott gebe seinen Segen! R. lehrt sie das neueste Gebet für Fidi: „Lieber Gott, verhilf mir zu meinem Glück, gib mir morgen das größte Stück.“ –
R. geht in das Haus, ich mit ihm, er badet, befindet sich aber nicht sehr wohl darauf. Nach Tisch singt er eine Melodie von einem Beethoven’schen Quartett und sagt: „Beethoven geht über alle, weil er die Schönheit hat. Eigentlich gibt es nur zwei Künste, die Plastik und die Musik, letztere unendlich über erstere erhaben, weil sie nichts von der Realität des Lebens entlehnt. Die Dichtkunst kann man als Kunst nicht recht gelten lassen, Goethe, der sich zum Plastiker geboren hielt, hat das gefühlt, deshalb scheute er vor den unseligen Veränderungen in Romeo und Julia[1] nicht zurück.“ –
Nachricht von Tode Kaulbach’s[2] – eine bereits abgetane falsche Größe. –
Abends liest mir R. aus Schopenhauer: Bemerkung über meine Philosophie, und die Einleitung von Finlay[3], Geschichte Griechenlands. Letzteres sehr interessant, wie jede Berührung mit dem griechischen Genius fesselt und erhebt. R. freut sich namentlich über die Würdigung des Alexandros.
[1] Im Rahmen seiner Tätigkeit als Theaterdirektor in Weimar und im Bestreben Repertoire für das Deutsche Theater zu schaffen, adaptierte Goethe die Übersetzung von August Wilhelm Schlegel. Das Stück wurde von der Kritik schlecht aufgenommen und erst nach Goethes Tod in einem Sammelband publiziert.
[2] Wilhelm Kaulbach (1805 – 1874) starb am 7. April 1874 in München während der großen Cholera Epidemie.
[3] George Finlay (1800 – 1875) schrieb eine Reihe von Werken zur Geschichte Griechenlands.