R. hat einen Brief von Herrn Ullmann erhalten, den Lohengrin in London betreffend und die berühmte Nilsson empfehlend. –
R. sagt: Wenn nur nicht der Ekel über einen bei all diesen Beziehungen käme!… Er käme sich förmlich wie ein Gespenst vor, wenn er mit den Sängern und Sängerinnen verkehrte, ihre Unterhaltung, ihre Vergnügungen ihm so fremd! –
Rus wird geschoren zum ersten Mal, das arme Tier uns vielleicht dadurch gerettet. In einem Aufsatz von den Fratres della Misericordia in Florenz gelesen, ungemein davon ergriffen spreche ich zu R. darüber, und er breitet sich über die Wichtigkeit und Bedeutung der Orden aus, wie die gute Sitte, welche bei den Vornehmen immer mit Ironie den Niedrigen gegenüber gemischt ist, dort zu Hause sei, der Schein der Neugierde wenigstens abgestreift, »ich wünschte nichts anderes, als daß unsere bürgerliche Gesellschaft in Orden eingeteilt wäre«.
Am Tage räumt R. die Bibliothek ein, abends nimmt er die Götterdämmerung vor, wobei er sich über J. Rubinstein’s Talent freut. Ich muß wegen Kopfschmerzen mir die Freude des Zuhörens versagen. Mir träumte die Nacht von Marie Muchanoff, sie war schön und unaussprechlich freundlich gegen mich, zeigte einen Brief an ihre Tochter, war lebendig, sprach aber von ihrem Gestorbensein. Wie doch ein Wesen, das man so selten sah, so fehlen kann!…
Freund Feustel frug nach der Verlosung* von Frau v. Schleinitz, weil hier im Herbst 10 bis 12000 Gulden notwendig sind, wenn man nicht in Verlegenheit geraten will! –
Fidi machte heute seinen ersten großen Ausgang; bis zu Herrn Feustel wanderte er allein, berichtete vortrefflich und kam mit der größten Sicherheit zurück. –
R. sprach neulich von der Ketzerei der Marcioniten, welche darin bestand, ein Urwesen nicht ganz gut und nicht ganz böse anzunehmen; Bewunderung dieser sinnreichen Form der Erkenntnis.
* Dem Tagebuch lag ein Aufruf der Berliner Veranstalter bei, s. Anm.