Montag 23ten (23. März 1874)

Cosima Wagner Tagebücher

Allerlei Briefe zu schreiben, an die Italiener wegen Rienzi, dann Gerichtsgeschichten, Hauseinrichtungen – allerlei. R. ist so gut und unterschreibt. Er entschließt sich auch die Briefe anzukaufen. Gedanken über die Gesetzgebung, welche nie die üble Tat verhindert, sondern sie nur dann bestraft, wenn sie etwaigen Schaden gebracht hat. Wie viele solcher Angebote können uns nun gemacht werden? –

Im Parlament disputieren sie wirklich über das Militärgesetz[i], es genügt nicht, daß ein Mann wie Moltke dafür spricht, die Herrn so und so dürfen sich nichts vergeben. „Durch das Zugeständnis des allgemeinen Stimmrechtes“, sagt R., „hat Bismarck dem deutschen Reiche die Schwäche Napoleon’s gegeben, er hat ihm den Charakter einer Usurpation gegeben, [von] etwas Illegalem.“ – 

Nach Tisch zitiert er mir das schöne Wort von Luther aus den Tischgesprächen, daß alles aus Unwissenheit geschehe und daß, wenn er gewußt hätte, wie der Papst und seine Umgebung wären, das heißt nicht gehofft hätte, auf sie zu wirken, er sich nicht gerührt haben würde. Abends geplaudert, freilich immer nicht viel Erfreuliches zu verplaudern, früh zur Ruhe.


[i] Reichsmilitärgesetz von 1874

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