O König! Holder Schirmherr meines Lebens!

Richard Wagner Briefe

Lassen Sie mich wieder mit diesem Anrufe Sie begrüssen, heute wie damals vor nun zehn Jahren vom Starnberger See aus! Welche Fülle der Erinnerungen, – und doch welch langsames Reifen nur der Werke Unserer Freundschaft! Heute sende ich Ihnen als demüthig dargereichte Gabe zu Ihrem erhabenen Geburtstage das endlich erst veröffentlichte volle Werk der „Walküre”, dessen Auszuge ich damals wagte, jene Verse an den „königlichen Freund” voranzustellen. Meine tiefe Dankes-Huldigung hatte sich nicht auf gerade dieses Werk besonders zu beziehen, sondern allen meinen Werken soll sie aufgeprägt sein, und so hatte ich diese einzige, im Lapidar-Styl aufgezeichnete Huldigung zu finden, die ich nun dem ganzen, ach! fast ungeheuren, Werke an die Spitze stelle. Aber, mit welcher Ergriffenheit las ich jetzt wieder mein Gedicht durch! Wahrer ist nie von einem Dichter empfunden worden! –

Kommt es mir doch vor, als ob mein ganzes seitheriges Wirken und Schaffen nur der Commentar zu diesem Gedichte, oder – in ächt antikem Sinne des Platon – die Musik dazu sei! Diess fühlte ich so recht, als ich bei der neuesten Veranlassung wieder den Haupt-Titel des Werkes überlas: er sagt, es sei „im Vertrauen auf den deutschen Geist entworfen”; was sagt es nun aber, wenn es heisst: „und zum Ruhme seines erhabenen Wohlthäters vollendet”? Ach! doch wohl nichts anderes, als dass der „deutsche Geist” einzig in diesem „erhabenen Wohlthäter” sich mir gezeigt und hilfreich erwiesen hat! Auch dieser „deutsche Geist” ist ein Gedanke, wohl eine Idee, mit welcher bis zum Ekel leichtfertig der seichten und eitlen Masse des Volkes etwas vorgegaukelt wird: wo zeigt sich dieser Geist aber in ernster Wahr-haftigkeit? Wahrlich doch nur in unsren grossen Dichtern; und heute lebend erkenne ich ihn nur noch in einem Könige, und dieser ist eben „mein erhabener Wohl-thäter”. Wen dieser Geist, der so unfassliche und kaum begreifliche, zu seiner wahrhaftigsten Kundgebung sich auserwählt hat, der weiss, was in seinem Dienste zu leiden ist: er fordert Opfer um Opfer, und Entsagung jedem Danke!

Wahrlich, so kommt auch mir nur ein bitteres Gefühl an, wenn ich rings um mich nur von „deutsch” und „Deutschthum” reden höre, ja, wenn von Thoren (wie sie wirklich Alle es sind) die Sorgen, Mühen, Qualen und tiefen Bekümmernisse, die meinem Wirken fortwährend anhaften, nur als schuldiger Tribut bezeichnet werden, welchen ich dem „deutschen Volke” — oder wie sie es nennen mögen — zu zahlen verpflichtet sei.

Sage ich diesen, von leeren Phrasen besessenen, Menschen nun, dass ohne den königlichen Wohlthäter, der vor zehn Jahren meine Geschicke in seine gnädige Hand nahm, das „deutsche Volk” ja gar nichts mehr von mir wissen würde und ich unbeachtet mein Wirken beschlossen hätte, so meinen sie, gerade durch diesen erhabenen Lenker meiner Bahn habe ja eben das deutsche Volk sich meiner angenommen. Hierbei ist allerdings zunächst zu belächeln, dass dieses Volk es sich so artig leicht macht, und Wirkungen sich aneignet, an deren Veranlassung es nicht den mindesten bewussten Antheil genommen. Dennoch erkenne ich endlich auch hierin wieder, wie so oft, von Thoren eine tiefe Weisheit ausgesprochen, und diese Anerkenntniss drückt sich, vielleicht mir selbst unbewusst, auf jenem Titelblatte meines Werkes aus. So kann ich belächeln, was thöriger Wahn ist, und in tiefster Ehrfurcht habe ich nur zu bezeugen, dass der Erhabene, dem ich nun meine Werke huldigend zu Füssen lege, mit dem Geiste, der mir sie eingab, Eines ist. — Mein allerhuldvollster Freund und Gebieter! Nun haben Sie Gnade und Nachsicht für mich, den Armen, der oft seiner Last zu erliegen fürchten muss! Es ist mir vieles aufgebürdet, was ich in früheren Zeiten vielleicht schmerzloser ertragen haben würde: das Glück eines edel-würdigen Lebens kommt mir so spät, und für mein Wirken ist, bei dem immer tieferen Verfall unserer öffentlichen Kunst, mir jetzt Alles erschwerter, als es etwa vor einem Vierteljahrhundert war. Damals, als ich mein Nibelungenwerk zuerst entwarf, blüheten noch manche künstlerischen Kräfte, die ich jetzt mir erst wieder neu heranziehen muss. Diess gelingt mir, und der Verlauf dieses Sommers hat meine Hoffnung auf ein vollständiges Gelingen meines Unternehmens auf das Schönste bestärkt. Nur nehmen alle hiermit verbundenen Bemühungen und Sorgen meine Kräfte auf das Aeusserste in Anspruch, und wahrhaft erschöpft, klage ich mich dann oft an, Ihnen, mein huldreicher Wohlthäter, so wenig sein, so wenig Thre täglich von mir genossene Gnade durch Dienste erwidern zu können. Gestatten Sie mir es aber, so ertheile ich Ihnen bald einen näheren Bericht über die Einzelheiten im Fortgange der Vorbereitungen zum grossen Werke!

Für heute erfüllt mich nur noch der inbrünstige Wunsch, mein demuthvoller Gruss, meine dürftige Gabe, möge von Dem nicht ungnädig angenommen werden, dem ich an dem segenvollen Tage Seines erhabenen Geburtsfestes, mit all den Meinigen, anbetungsvoll mich zu Füssen werfe als

Bayreuth
23 August 1874

des erhabenen Herren und Freundes tief unterthänigstes Eigen:
Richard Wagner


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