Sonntag 16ten (16. August 1874)

Cosima Wagner Tagebücher

Manchen Besuch zu empfangen gehabt, nachmittags durch einen Brief des Vaters, einen von Hans enthaltend, gänzlich in meinem tiefsten Innern erschüttert; Hans klagt über seinen überreizten Zustand der Nerven, Gedächtnis und Kraft verließen ihn, seine Kur in Salzungen sei fehlgeschlagen, die traurigsten Äußerungen der Ermattung!… Ich bekämpfe die Stimmung und ersticke die Tränen so gut es gehen will. Nachmittags Besuch eines Herrn v. Horn[1], Schriftsteller, Begleiter des Prinzen Friedrich Karl und Berichterstatter im Krieg, aus Bayreuth gebürtig, er spricht vom Kaiser, dessen wahrer Frömmigkeit, auch daß er selbst den Brief an den Papst geschrieben, er erzählt auch von Bismarck’s Überreizung der Nerven und ungemeinen Heftigkeit.

Abends Frl. Brandt, sehr gut und tüchtig musikalisch, nur sehr unschön, Wiener Volkskind, ohne jegliche Kultur. 


[1] Karl Friedrich Wilhelm Graf von Horn (1847 – 1923) zu diesem Zeitpunkt an der Bayerischen Kriegsakademie in München, später Bayerischer Kriegsminister.

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