Sonntag 5ten (5. Juli 1874)

Cosima Wagner Tagebücher

Gestern kam ein Brief von Marie Schleinitz, sie meldet den Verkauf des Aquarells von Menzel für Bayreuth (1200 Thaler) und zugleich den Tod der lieblichen Frau des russischen Botschafters, welche in den Potsdamer See sich geworfen hat, es muß mich sehr rühren, daß die Freundin mir schreibt: Einiges, was ich ihr über den Tod geschrieben, habe sie Frau von Oubril vorgelesen, dieselbe habe es sich aufgeschrieben und behauptet, es sei ihr einziger Trost!… 

Bei Tisch kommen wir auf die neue Art der Bestattung zu sprechen, und da der gute Richter ziemlich roh sich für das Verbrennen im Gasofen mit den Worten (einsetzt), »was liegt mir dran, was man mit mir macht, wenn ich tot bin«, frägt ihn R., wer dieses Ich denn sei, ob er denn meine, er sei vorher nie gewesen und würde nie sein; begänne und beende mit sich sein Leben! Er erzählt ihm dann von der religiösen Verbrennung bei den Alten, auch von der Wichtigkeit der Keuschheit der Frauen für das Leben nach dem Tode des ganzen Stammes und verdammt den rohen Materialismus, welcher sich in dieser heutigen Verbrennung kund gäbe.- 

An Herrn Monod geschrieben über seine Rede, welche er mir zugeschickt hatte, von einer Reform des höheren Unterrichts in Frankreich. – 

Viel über Rus gelacht, welcher jetzt geschoren R. an das Schwein erinnert, welches auf dem Dürer’schen Blatte Christus bei seiner Höllenfahrt empfängt. Wir beginnen für die Kinder die Novelle vom Freischütz, werden unterbrochen durch den Besuch des Bürgermeisters, welchem R. seine merkwürdigen Erinnerungen an den jetzigen Minister v. Lutz mitteilt. 

Abends den ersten Akt der Götterdämmerung vorgenommen. Wie Brünnhilden’s Versunkensein in den Ring kommt, sagt mir R.: »So muß es wohl den Frauen sein, wenn sie einsam sind.« Am Nachmittag rief er mir zurück, daß der Vater mich einmal serpent genannt habe, ich frage nach der Erklärung des Zitats, er sagt: »Das, was es einem antut, was einem jäh in das Herz beißt und einen nicht mehr genesen läßt; die Frauen kennen das nicht, Männer tun es ihnen nie so an.« Bei der Scene zwischen Brünnhilde und Waltraute sagt er: »Da ist man auf Tribschen, und Marie Muchanoff, Waltraute, hört von dir dein Glück ihr preisen.« »Dieser Unsinn alles«, wiederholte gestern R., wie er seines Saales sich freute, »wenn du nicht da wärst.«

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