… lauter Umzugsnöte, dazwischen für mich der furchtbare Schlag der Nachricht von Marie Muchanoff’s Sterbenskrankeit, unter entsetzlichen Schmerzen! …
Viele Schätze aus der Fülle des Geistes und des Herzens gehen nun für dieses Buch verloren, da ich betäubt von dem Eindruck und ohnedies überbeschäftigt erst im Hause (zum letzten Glück) am 29ten die Feder ergreife. Doch einzelne Data kann ich notieren. R. packt seine Bücher ein, und wir behalten draußen Shakespeare, die indischen Sprüche und Schopenhauer. Letzterer war das einzige, was ich anhören konnte am Tage der Nachricht von meiner Freundin Dahinscheiden! Dann aus „Julius Caesar“ gelesen, wovon der Eindruck mir immer der tragischste von allen Tragödien ist, von vorneherein ist alles verloren, und wie Gespenster erscheinen die Menschen; sonderbar ist es, daß Sh. uns hier ganz und gar die Eindrücke wiedergibt, welche man in der Jugend von den Dingen und Menschen durch Plutarch empfangen hat. –
In den letzten Tagen hatte R. einen sonderlichen Traum von Mendelssohn, welcher für die Schröder-Devrient nichts schreiben wollte, weil sie bei seinem Begräbnis nicht gesungen hatte. Dann immer wieder der alte Traum von Minna, welche noch lebe, und R. sich früge, „mein Gott, wie soll das werden mit Cosima! Nun, die Frau kann nicht ewig leben“, mit diesen Worten wacht er auf. –
Die letzten Briefe, welche ich im Hause erhalte, sind von der Mutter[1] und E.O.[2], erstere kann mir meine 40 000 frcs. nicht geben, letzterer will mir meinen Schmuck (bei Schwester Blandine deponiert) nicht zurückerstatten! –
[1] Marie d’Agoult (1805 – 1876): Deutsch-Französische Schriftstellerin, Mutter von Blandine, Cosima und Daniel Liszt.
[2] Emile Olivier (1825 – 1913): Französischer Staatsmann, Ehemann von Cosimas Schwester Blandine (1835 -1862), die 2 Monate nach der Geburt ihre Sohnes im Alter von 26 Jahren verstarb.